dieses Land
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26,00 €
Bruttopreis

Aus dem kanadischen Englisch von Maria Steiner.
22 • 32 cm | Hardcover
288 Seiten | € 26,00
ISBN 978-3-903290-41-9
Neuerscheinung - Oktober 2021

Menge

Dieses Land

150 Jahre neu erzählt



150 Jahre sind seit der Gründung der Kanadischen Konföderation vergangen. Diese Comic-Anthologie erzählt über diesen Land aus der Perspektive der First Nations.

Über 20 indigene Illustratorinnen, Comickünstler, Autorinnen und Wissenschafter berichten über die leidvollen Erfahrungen mit den europäischen Siedlern und ihren Nachfahren, über indigene Selbstbestimmung, über Proteste gegen Umweltzerstörung, über den Kampf um Land und über ihre eigene Kulturgeschichte.

Mit Comics von Kateri Akiwenzie-Damm, Tara Audibert, Sonny Assu, Natasha Donovan, Niigaanwewidam James Sinclair und vielen anderen.

Mit einem Vorwort von Alicia Elliott.

Widerstand mit Stift und Papier

Tagesspiegel, 30. 9. 2021

Nachfahren der Ureinwohner Nordamerikas melden sich zunehmend selbstbewusst zu Wort – auch im Comic.

Kinder werden ihren Familien entrissen und in christliche, von der Regierung finanzierte Internate gezwungen. Ganze Völker müssen ihr angestammtes Land verlassen und Neuankömmlingen oder Industrieprojekten weichen. Seit Generationen überlieferte Traditionen und die eigene Sprache gelten plötzlich als illegale Praktiken, wer sie weiter pflegt, wird als „Wilder“ verhöhnt oder landet im Gefängnis.

Erfahrungen wie diese haben die Geschichte der Ureinwohner Kanadas geprägt, seitdem die Nachfahren europäischer Siedler sich ihr Land angeeignet und dort vor gut 150 Jahren den Staat Kanada gegründet haben. Lange Zeit war davon in der offiziellen Geschichtsschreibung kaum etwas zu erfahren. Doch in den vergangenen Jahren hat sich das geändert. Und immer öfter nutzen Kanadierinnen und Kanadier mit indigenen Vorfahren die Kunstform Comic, um von Diskriminierung, Unterdrückung und Gewalt zu erzählen – sowie von Widerstand, Selbstbehauptung und dem bis heute andauernden Kampf um Gleichberechtigung und Entschädigung.

Zehn solcher Geschichten finden sich in dem Sammelband „Dieses Land – 150 Jahre neu erzählt“, der jetzt zur Frankfurter Buchmesse (20. bis 24. Oktober) im Wiener Verlag Bahoe Books auf Deutsch erscheint und in dem sich auch die am Anfang dieses Artikels zusammengefassten Erfahrungsberichte finden. Kanada ist in diesem Jahr Ehrengast der Buchmesse.

„Dieses Land“ ist das prominenteste Beispiel einer Reihe von Bilderzählungen indigener AutorInnen und Autoren, die in den vergangenen Jahren in Nordamerika veröffentlicht wurden. „Nur weil manche Sachen nicht aufgeschrieben wurden, sind sie deshalb nicht verloren“, schreibt die Schriftstellerin Alicia Elliott im Vorwort. Sie gehört dem Volk der Tuscarora an, die unter anderem in der Provinz Ontario leben. „Wir tragen diese Geschichten in unseren Köpfen, in unseren Herzen, bis hin zu unseren Knochen. Wir ehren sie, indem wir sie weitergeben und sie auch in anderen weiterleben lasse.“

Fast 20 Autorinnen und Autoren haben sich für „Dieses Land“ mit Illustratorinnen und Illustratoren zusammengetan, die meisten davon entstammen einer „First Nation“, wie die indianischen Völker in Kanada genannt werden. Der in Kanada sehr erfolgreiche Jugendbuchautor David A. Robertson, der neben Romanen immer wieder auch Comics geschrieben hat, erzählt hier die Geschichte des indigenen Soldaten Francis Pegahmagabow, er im Ersten Weltkrieg Seite an Seite mit europäischstämmigen Kameraden gekämpft hat und als Kriegsheld gefeiert wurde. Doch nach dem Krieg erleidet er massive Diskriminierung und wird zum Vorkämpfer für die Bürgerrechte der indigenen Bevölkerung. Die Zeichnerin Natasha Donovan setzt das in klaren, leicht zugänglichen Bildern um.

Die vielfach ausgezeichnete Autorin Katherena Vermette erzählt zusammen mit dem renommierten Zeichner Scott B. Henderson die Geschichte von Annie Bannatyne, einer Angehörigen der Métis, deren Vorfahren indigene Frauen und europäische Fallensteller waren. Bannatyne kämpfte gegen den Rassismus und die Überheblichkeit vieler europäischer Siedler – und griff dabei auch schon mal zur Peitsche, um ihrer Meinung Nachdruck zu verleihen.

Der Schriftsteller und Hochschulprofessor Niigaanwewidam James Sinclair schließlich vermittelt zusammen mit dem Künstler Andrew Lodwick in der Erzählung „Warrior Nation“, aus der wir hier ein Bild zeigen, ein lebendiges Bild von dem bis heute regelmäßgig aufflammenden Widerstand indigener Gruppen gegen Neubauprojekte in Regionen, die sie als ihr Land ansehen.

Vieles, was in diesem Band erzählt wird, ist historisch verbürgt. Anderes wurde, auch mangels schriftlicher Quellen, hinzuerdacht oder nimmt Bezug auf mythologische Überlieferungen – ein nicht unproblematischer Ansatz, da Fakten und Fiktion bei „Dieses Land“ nicht immer klar zu trennen sind. Doch das erklärte Ziel dieses Bandes ist es, ein kämpferisches, heroisches Build der Nachfahren der Ureinwohner zu vermitteln. „Wir haben die Apokalypse überlebt“, schreibt Alicia Elliot im Vorwort. „Wenn man es genauer betrachtet, ist jeder indigene Mensch ein Held, einfach weil er existiert.“ Das trifft in Kanada offenbar auf großen Zuspruch: Die staatliche Rundfunkgesellschaft CBC hat „This Place“ (so der Originaltitel) zu einer Hörspielreihe verarbeitet. Die auch hierzulande über die üblichen Podcast-Anbieter gestreamt werden kann.



Rezensiert von: Lars von Törne