

23 • 15 cm | Hardcover mit Fadenheftung
330 Seiten | € 24,00
ISBN 978-3-903022-74-4
Louise Michel (1830–1905), die Ikone der Pariser Kommune 1871, war für die einen eine blutrünstige Wölfin, für die anderen die große Bürgerin, die rote Jungfrau, die gute Louise. Ihr Mut im Kampf, ihre Unerschrockenheit vor Gericht sind legendär. Verurteilt zur Deportation nach Neukaledonien, suchte Louise Michel Kontakt mit der indigenen Bevölkerung. Sie erlernte die Sprache der Kanak und vermittelte in zwei Schriften deren Mythen und Kultur. Bis zu ihrem Tod blieb die Insel für sie Sehnsuchtsort. Obwohl Louise Michel keine Gelegenheit ausgelassen hat, im Kampf zu sterben, erreichte sie ein hohes Alter.
Eva Geber hat einen biographischen Roman geschrieben. Dafür hat sie Louise Michels fiktivem Monolog über ihr bewegtes Leben zugehört und ihn entlang der historischen Tatsachen aufgezeichnet. Für das Kapitel der Deportation hat die Autorin die Legenden der Indigenen, wie sie von Michel aufgeschrieben wurden, erstmals ins Deutsche übertragen
Das vorliegende Werk besticht durch die lebendige Erzählweise in der Ich-Form. Inmitten ihres Katzentrios lässt Louise als alternde Frau ihr Leben nochmals in nicht chronologischer Form an sich vorbeiziehen. Bedingt durch die Obhut der Großeltern erhält Louise Bildungskapital. Sie wird Lehrerin und geht nach Paris. Ihre Sympathie gilt den unterdrückten Klassen. Sie erhebt sich couragiert gegen Ausbeutung und Unterdrückung und wird die bekannteste Frau der Pariser Commune, der ersten proletarischen Revolution 1871 in Frankreich. Es geht um deren Verteidigung gegen die Konterrevolution. Sie schildert zahlreiche politische Kämpfe, begleitet von ihren anarchistischen WeggenossInnen gegen die Repression der Reaktion. Ihre Eindrücke vom politischen Diskurs werden von ihr als streitbare Anarchistin lebensnah kommentiert. Gefängnisaufenthalte und ihre Deportation als Strafgefangene nach Neukaledonien werden vor ihrem inneren Auge nachvollziehbar. Ihre ethnologischen Beschreibungen der Kaynaken zeugen von einem empathischen Blick, sie ist mit ihnen in praktischen Fragen solidarisch. Geschwächt von Lungenentzündungen nach ihrer Rückkehr nach Frankreich verliert sie bei ihren Vorträgen nie die Frage nach einer gerechteren Welt, in der die Freiheit siegt, aus den Augen. Ein erfrischendes Lehrstück, gespickt mit Weisheit und Lebensmut. Ein besseres Leben für alle ist ohne Kampf nicht erreichbar. Ein Dank an die Autorin Eva Geber, die die Anarchistin glaubwürdig vermittelt!
Rezensiert von: Margret Lammert
Link: weiberdiwan.at/
iz3w: Warum hast du über Louise Michel und nicht über eine andere der vielen bekannten Persönlichkeiten der Pariser Kommune geschrieben?
Eva Geber: Ich schreibe meistens über Frauen, und Louise Michel ist eindeutig die herausragendste Frau in der Pariser Kommune. Es gab auch andere wichtige AktivistInnen, wie beispielsweise ihre Freundin Nathalie Lemel. Aber Louise hatte eine zentrale Stellung. Zudem hat mich an ihr besonders ihre Zeit in Neukaledonien, ihr Umgang mit Fremden fasziniert. Außerdem ihre unerschrockene Offenheit, ihre Kompromisslosigkeit und die Unbeirrbarkeit ihres Weges: Zum Anarchismus kommt sie, weil Macht immer korrumpiert. Ihr Anarchismus zeigt eine Zivilgesellschaft von unten, eine, die den Weg findet, ein gutes Leben für alle zu erreichen. Und zwar undogmatisch.
In deinem Buch spielen die Großeltern von Louise Michel eine Rolle. Sie haben die Enkelin beispielsweise sehr darin unterstütz, selbst zu entscheiden, wen sie heiratet. Sie schienen wenig Respekt vor Autoritäten zu haben, was für die damalige Zeit ungewöhnlich war. In welchen Verhältnissen wuchs Louise Michel auf?
Sie wurde 1830 als uneheliches Kind des Sohnes des Schlossherrn von Vroncourt und der Dienstmagd des Hauses geboren. Erzogen wurde sie von ihren Großeltern, die beide während der Französischen Revolution RevolutionärInnen gewesen waren. Dementsprechend genoss sie eine sehr liberale Erziehung. Sie publizierte bereits in ihrer Zeit in Vroncourt und wurde nach dem Tod ihres Großvaters 1850 Lehrerin.
Wie kam es dazu, dass sie eine so zentrale Stellung innerhalb der Pariser Kommune eingenommen hat?
Sicherlich aufgrund ihres Wissens und ihrer Aufgeschlossenheit. Zudem hatte sie bereits Erfahrung in politischer Organisation und schon viel publiziert. Zu ihrer Bekanntheit trug sicherlich ihre Freundschaft mit Victor Hugo bei, mit dem sie bis zu dessen Tod einen Briefwechsel unterhielt. Auszüge daraus sind im Buch zu finden.
Warum hast du dich dazu entschieden, einen Roman über Louise Michel zu schreiben und keine klassische Biographie?
Danke für die Frage! Diese Entscheidung hat dem Mandelbaum Verlag, wo ich bisher veröffentlicht habe, sehr missfallen. Sie hatten schon auf das Buch gewartet, jedoch verlegen sie keine Romane. Aber ich habe einfach gemerkt, dass ich das Buch nicht als Sachbuch schreiben , dass ich nicht auktorial von Louise Michel erzählen kann. Ich wollte nicht besserwisserisch über sie schreiben. Sie musste ihre Geschichte erzählen, auf ihre Art. Dabei blieben beispielsweise auch ihre Verrücktheiten unkommentiert – was nicht heißt, dass ich keine Kritik an ihr habe. Man könnte es so sagen: Sie kritisiert die Kanak nicht, ich kritisiere Louise Michel nicht. Auch da nicht, wo ich ihr Verhalten nicht nachvollziehen kann. Es gibt durchaus Momente, in denen ich mich frage: „Wie kannst du nur?“.
Kannst du Beispiele nennen?
Sie liebte eine jungen Mann, Théophile Ferré, ebenfalls ein Kommunarde. Obwohl Ferré ihre Liebe nicht erwidert, tut Louise Michel später alles, um ihn zu retten – obwohl er etwas getan hat, was sie niemals gut heißen könnte: Er ließ Geiseln erschießen. Während der Kommune hatten die RevolutionärInnen den Erzbischof von Paris und andere als Geiseln genommen. Sie wollten sie gegen den inhaftierten Präsident der Kommune, Louis-Auguste Blanqui, austauschen. Als sich die Regierung weigerte, auch nur zu verhandeln, ließ Ferré sechs Geiseln erschießen – das ist eigentlich der absolut schwarze Fleck der Kommune. Louise Michel hatte sich immer gegen Geiselerschießungen ausgesprochen und diese auf Seiten der Regierung angeprangert. Auch, als diue RevolutionärInnen zu Beginn der Kommune von einem aufständischen Mob genötigt wurden, Generäle zu erschießen, verurteilte sie dies. Sie kann also diesen Akt nicht gut heißen. Dennoch behauptet sie später vor Gericht, dass sie und nicht Ferré den Schießbefehl gegeben habe und dass er so etwas nie getan hätte. Am ende nützt diese Aussage nichts, da Louise Michel zum Zeitpunkt des Schießbefehls bereits im Gefängnis saß, ihn also gar nicht gegeben haben konnte. Zudem war der Befehl schriftlich und von Ferré unterschrieben. Das ist einer der wenigen Aspekte in ihrem Leben, bei dem ich mich frage: Louise, wie ist dir das eingefallen?