Jin Jiyan Azadi
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Jin Jiyan Azadi

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Jin, Jiyan, Azadi!

E: Wie wird im Iran heute protestiert? Also wie sind die Aktionsformen?

Ş: Oh, das ist echt weit verbreitet. Also ich bin wirklich beeindruckt, was da künstlerisch gemacht wird. Ob das Gesang ist oder Videos, Animationen, die Bemalung von Wänden. Diese Kreativität ist der Wahnsinn. Der Protest findet zu Hause, auf dem Weg und auch beim Einkaufen statt. Wenn man beispielsweise Schokolade nutzt, um Flugblätter zu verteilen.

N: Ja, es wird auf jeden Fall aktiv aggressiv protestiert, was natürlich erforderlich ist. Mit Molotowcocktails, wie Maryam schon sagte, das umschmeißen der Autos der Regierungskräfte – auch das Anzünden. Gestern wurde das Geburtshaus von Khomeini in Brand gesetzt. Also es gibt diese Protestform, die sehr aggressiv und radikal ist, es gibt aber auch Protestformen, die kreativ und künstlerisch sind. Und eine der Protestformen, die mich sehr beeindruckt und bespaßt, ist, dass junge Menschen vorbeilaufenden Mullahs den Turban vom Kopf schlagen. Das hat sich jetzt innerhalb des ganzen Landes verbreitet. Uns erreichen immer wieder Videos, wie junge Menschen eben den Mullahs den Turban vom Kopf schlagen, ohne sie körperlich zu verletzten. Aber das ist ein starker Ausdruck eines Widerstandes.

E: Gab es oder gibt es große Massendemonstrationen?

M: In Kurdistan eher. In anderen Städten läuft das eher stadtteilbezogen ab. Das ist aber eine Taktik, die von Anfang an Teil der Aufrufe waren. Es wäre viel besser, wenn man sich nicht an einem zentralen Ort versammelt, weil dann kann man eher unterdrückt werden. Man solle sich in mehreren Stadtteilen versammeln, so müssen sich auch die Sicherheitskräfte verteilen und so viele Sicherheitskräfte haben sie nicht, besonders wenn die Proteste gleichzeitig in mehreren Städten läuft.

E: Kommen wir zur Parole «Jin, Jiyan, Azadî», was «Frau, Leben, Freiheit» bedeutet. Şahla du hast gesagt, dass von Anfang an diese Parole gerufen wurde. Wurde diese Parole gleich von allen angenommen?

M: Also «Jin, Jiyan, Azadî» ist nicht erst durch diese Proteste aufgekommen. Diese Parole gibt es seit den 90er Jahren durch die Frauen der kurdischen Bewegung. Auch die Samstagsmütter in der Türkei haben diese Parole gerufen und in Rojava. Das war auch fester Bestandteil unserer Demonstrationen in Deutschland seit mehr als 12 Jahren. In Kurdistan, in Rojhilat wurde diese Parole zu jeder Gelegenheit, wie am 8. März, gerufen. Daher ist das keine neue Parole. Es ist eine Parole, die aus der kurdischen Freiheitsbewegung kommt. Es gibt auch eine Philosophie dahinter. Was mich ärgert ist, dass diese deutschen Politiker*innen, sich mit dieser Parole schmücken auf T-Shirts und Plakaten. Da steht «Solidarität mit den iranischen Frauen», aber parallel zur selben Zeit gehört diese Parole der kurdischen Freiheitsbewegung und Kurdistan wird hier kriminalisiert. Es werden mehrere Menschen verhaftet und Erdogan wird unterstützt. Zeitgleich finden Giftgasangriffe in Kurdistan statt. Ja, diese Parole gehört zu der Bewegung, die kriminalisiert, bombardiert und getötet wird und auf der anderen Seite haben Politiker*innen Solidarität mit den Menschen aus Iran. Für mich ist das paradox.

Ş: Das hat alles zeitlich zusammengepasst.

N: Ich glaube, dass diese Parole aber auch bisschen mehr Anklang findet, weil verwässert wird, dass es sich bei der Parole um eine kurdische Befreiungsbewegung handelt. Das sieht man auch in Deutschland, wie Maryam gesagt hat. Auch dass sich iranische Nationalist*innen den Protesten anschließen, «Jin, Jiyan, Azadî» rufen und nicht den Bezug zur kurdischen Freiheitsbewegung herstellen.

E: Spielen Oppositionelle und bestehende Organisationen – linke oder die Organisationen der Kurd*innen – eine ernsthafte Rolle bei den Protesten?

Ş: Also ich kann so allgemein sagen, nein. Die haben keinen großen Einfluss. Allerdings im kurdischen Bereich punktuell schon. Wenn es beispielsweise um Streiks geht. Die Bevölkerung, also die Menschen waren dazu bereit mitzumachen. Es lag also nicht daran, dass es Organisationen es wollten, sondern weil die Menschen dazu bereit waren und einen Grund dafür haben.